»Optimismus ist das Opium der Menschheit! Ein gesunder Geist mieft nach Dummheit! Es lebe Trotzki!« Mit dieser Postkarte an seine Freundin reagiert Ludvik darauf, dass sie lieber zur politischen Schulung fährt, als mit ihm auf eine abgelegene Hütte. Was als Scherz gedacht war, stürzt Ludvik ins Unglück. Er wird von der Universität relegiert und in die Kohlegruben geschickt. Jahre später will er sich an Pavel rächen, der Schuld an seiner Misere ist, und verführt dessen Frau. Aber auch dieser Scherz schlägt fehl. Kunderas erster Roman ist eine bittersüße Satire – voll scharfem Humor und sinnlicher Erotik.
(Fischer Verlag, online)
Wie gerne widerriefe ich die Geschichte meines Lebens! Doch durch welche Macht könnte ich sie widerrufen, da die Irrtümer waren? Wer hatte sich denn damals geirrt, als der dumme Scherz meiner Ansichtskarte ernstgenommen wurde? Wer hatte sich geirrt, als Alexejs Vater (der heute übrigens rehabilitiert, aber dennoch tot ist) verhaftet und ins Gefängnis geworfen wurde? Diese Irrtümer waren so üblich und so allgemein, daß sie keineswegs eine Ausnahme oder einen »Fehler« in der Ordnung der Dinge. Wer also hatte sich geirrt? Die Geschicte selbst? Die göttliche, die vernünftige? Aber warum eigentlich sollten dies ihre Irrtümer sein? So erscheint es nur meinem menschlichen Verstand, falls die Geschichte abe tatsächlich einen eigenen Verstand hat, warum sollte es ein Verstand sein, der nach menschlichem Verständnis strebt? Was ist, wenn die Geschichte scherzt? Und da wurde mir klar, welch hilfloses Unterfangen es war, seinen eigenen Scherz widerrufen zu wollen, wo ich selbst mit meinem ganzen Leben in einem viel umfassenderen (für mich nicht absehbaren) und absolut unwiderrrufbaren Scherz verwickelt war.
Spiegel-Verlag, 2007, SS. 309
Schon in seinem Debütroman Der Scherz blieb Milan Kundera, was er bis dahin war: ein Tragikomiker des aktiven Individuums inmitten der Aktivität der Welt, und damit ein Experte für die Desillusionierung, Zerstörung und Problematisierung der Werte, auf denen sowohl der zeitgenössische Mensch als auch die zeitgenössische Gesellschaft ihr Leben aufbauen. (...) Milan Kundera schrieb scherzhaft sein „Leiden an der Vernunft“ nieder; nur der rationalistische Zerstörer kann das Feld vom Unkraut der Illusion säubern, nur der rationalistische Kritiker ist imstande. gefühlvoll in das Reich des falschen Bewusstseins einzudringen, und nur der rationalistische Skeptiker kann die Traurigkeit der praktischen Ohnmacht der Ratio, ihrer Unersetzlichkeit, ihrer funkelnden Analytizität, die der Harmonie verwehrt bleibt, spüren.
Kunderas Scherz bietet in unserer Prosa die ausgereifteste Kritik an der Kultepoche, aber es wäre ein Missverständnis seiner semantischen Konstruktion, ihn als bloße Rekonstruktion der 1950er Jahre, als Entlarvung der zeitgenössischen Illusionen zu sehen. Abgesehen von seiner offensichtlichen Historizität hat dieser exzellente Roman noch eine andere Dimension: Er ist ein menschliches Drama, das auch seine ewigen Konstanten hat. (...) Die anti-illusionistische Atmosphäre der Zeit wirkte unterstützend, den aggressiv-ironischen Sinn des Romans mitzukonstruieren und der Absurdität und Gleichgültigkeit die große menschliche Sorge um den Verfall des Sinns gegenüberzustellen.
Dies ist eine höllische Geschichte, deren Zynismus auf Schritt und Tritt an den Fallstricken der Hässlichkeit zu zerschellen droht (...) Der Scherz ist ein Roman über menschliche Seelen, die der Wahrheit bis zum völligen Ruin entfremdet sind, geplündert, durch Selbsttäuschung und Lügen bis auf den letzten Faden der Menschlichkeit der moralischen Herrlichkeit beraubt.
Quelle: Nationales Filmarchiv (Profil auf Youtube)
Der Scherz von 1968 ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Milan Kundera. Regie führte Jaromil Jireš, eine der Schlüsselfiguren der Tschechischen Neuen Welle. Der Scherz erzählt die Geschichte von Ludvík Jahn, einem Mann, der sich für das Unrecht rächen will, das ihm in seiner Jugend wiederfahren ist. Wegen eines leichtsinnigen Streichs wird Jahn von der Universität verwiesen und aus der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei ausgeschlossen, was sein Leben grundlegend verändert. Wie das Buch behandelt auch der Film Themen wie Ironie, Rache und die Tragikomik des menschlichen Schicksals vor dem Hintergrund der politischen Unterdrückung in der kommunistischen Tschechoslowakei. Dank seiner starken visuellen und erzählerischen Komponente gehört Der Scherz zu den Klassikern des tschechischen Films und gilt als wichtiger Beitrag zur Geschichte des Weltkinos. Im August 1971 wurde der Film vom Husák-Regime in den Tresorraum verbannt. Er wurde erst im August 1990 wieder vorgeführt.
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