Die im ›Buch der lächerlichen Liebe‹ versammelten Erzählungen sind noch in den sechziger Jahren in Prag entstanden. In seinen Geschichten spannt Kundera die komischsten Paare zusammen, die schließlich in grotesken Situationen die Absurdität ihrer Beziehungen erkennen müssen.› Das Buch der lächerlichen Liebe‹ erzählt von den in Sehnsüchte und Begierden verstrickten Helden mit dem Witz und der Passion, die Milan Kundera berühmt gemacht haben. Die Irrungen und Wirrungen im menschlichen Miteinander sind der perfekte Nährboden für Kunderas vorzüglichen Humor.
Fischer Verlag, online:
https://www.fischerverlage.de/buch/milan-kundera-das-buch-der-laecherlichen-liebe-9783596292646
Diesmal jedoch litt sie nicht und hegte keine solchen Gedanken. Sie fühlte sich wohl. Es war der erste Tag ihres gemeinsamen Urlaubs (eines vierzehntägigen Urlaubs, von dem sie das ganze Jahr lang sehnsüchtig geträumt hatte), der Himmel war blau (das ganze Jahr lang hatte sie sich Sorgen gemacht, ob der Himmel auch wirklich blau sein würde), und er war bei ihr. Auf sein >>wohin denn?<< errötete sie und lief wortlos weg. Sie ging um die Tankstelle herum, die inmitten von Feldern verlassen am Straßenrand stand; nach etwa hundert Metern (in ihrer Fahrtrichtung) begann ein Wald. Sie ging darauf zu, verschwand dann hinter einem Gebüsch und gab sich ganz ihrem Wohlgefühl hin. (Auch die Freude über die Gegenwart des geliebten Mannes lässt sich nämlich am besten in der Einsamkeit genießen.)
Dann trat sie aus dem Wald auf die Straße; die Tankstelle war von hier aus gut zu sehen; der Tankwagen war weggefahren und der Sportwagen vor die rote Zapfsäule gerollt. Sie ging auf der Straße weiter und schaute sich von Zeit zu Zeit um, ob der Sportwagen kam. Dann sah sie ihn: sie blieb stehen und begann zu winken wie eine Anhalterin, die einem fremden Wagen winkt. Das Auto bremste und hielt direkt vor ihr an. Der junge Mann drehte die Scheibe herunter und fragte lächelnd: >>Wohin wollen Sie denn, Fräulein?<< >>Fahren Sie nach Bystrica?<<, fragte sie und lächelte ihm kokett zu. >>Bitte, steigen Sie ein<<, sagte er und öffnete die Tür. Sie stieg ein, und das Auto fuhr weiter.
Fischer, 2018, SS.54-85.
Kunderas Komödie, die in eine Tragödie mündet, enthält also neben dem betonten Sieg des Lebens über das voluntaristische Handeln des Individuums einen tieferen Subtext. Die Leichtigkeit, mit der der Erzähler anfangs sein eigenes Schicksal und das der anderen kontrollierte, entpuppt sich später als Fiktion.
Das Spiel ist für die Entwicklung der Handlung immanent, das Prinzip des Spiels wird auch ausdrücklich im Text genannt. Die Geschichte funktioniert wie eine Spielzeugmaschine, die sich um den Drehpunkt der Pointe dreht. Damit wird aber auch deutlich, dass es sich nicht um irgendein Spiel handelt, dass es um mehr geht als um einen Platz in der Tabelle der erfolgreichen Torschützen. Es ist in der Tat ein Spiel, um Lebensfülle und ein erfülltes Leben.
In seinen kurzen, skurrilen Geschichten hat Kundera eine Form gefunden, die anschaulich und klar genug ist, um seine besondere Intention so deutlich wie möglich zum Ausdruck zu bringen. Er hat nämlich entdeckt, wie man auf spielerische, leichte Weise (und, wohlgemerkt, mit souveräner Brillianz) etwas Ernstes und vielleicht sogar Hartes über das Leben der Menschen in der heutigen Welt ausdrücken kann, über das, was darin Not und Unzufriedenheit hervorruft (...) Er wählt seine Worte, Assoziationen und Episoden mit Bedacht, baut Satz für Satz sorgfältig auf und hält das Schicksal seiner Figuren fest in seinen Händen. Doch die Handlung ist nicht das Entscheidende. Kunderas größte Leistung ist, dass es ihm gelingt, die Menschen, ihre Sehnsüchte und Torheiten mit durchdringender Einsicht zu erkennen und zu beurteilen.
Quelle: Supraphon (Profil auf Youtube)
Im Jahr 2008 veröffentlichte Supraphon Das Buch der lächerlichen Liebe in Form des gesprochenen Wortes. Die einzelnen Geschichten wurden von Jan Kolařík, Igor Bareš, František Defler, Ladislav Lakomý, Antonín Přidal und Marcela Vandrová eingesprochen. Hören Sie sich einen kurzen Auszug aus dem Buch an.
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