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ROMAN / 1984

Unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins‹ verschaffte Milan Kundera den internationalen Durchbruch. Der Prager Chirurg Tomas, der die Frauen begehrt und zugleich fürchtet und seine Scheidung wie eine Hochzeit feierte, will fortan der Liebe aus dem Weg gehen. Erst für die Kellnerin Teresa bricht er mit seinen Grundsätzen. Aber Teresa verlässt ihn in Zürich, wo die beiden sich nach dem russischen Einmarsch in Prag niedergelassen haben und kehrt in ihr Heimatland zurück. Er folgt ihr, verliert seine Stellung, arbeitet als Fensterputzer und später als Lastwagenfahrer in einem Dorf fern von Prag. Das Glück endet in der Katastrophe.

Fischer Verlag, online

Auszug aus dem Roman

Seit vielen Jahren schon denke ich an Tomas, aber erst im Licht dieser Überlegungen habe ich ihn zum ersten Mal klar vor mir gesehen. Ich sehe ihn, wie er in seiner Wohnung am Fenster steht, über den Hof auf die Mauer des gegenüberliegenden Wohnblocks schaut und nicht weiß, was er tun soll.
Er hatte Teresa vor etwa drei Wochen in einer böhmischen Kleinstadt kennengelernt. Sie hatte ihn zum Bahnhof begleitet und gewartet, bis er in den Zug gestiegen war. Zehn Tage später besuchte sie ihn in Prag. Noch am selben Tag liebten sie sich. In der Nacht bekam sie Fieber und blieb eine ganze Woche mit Grippe in seiner Wohnung.
Er empfand damals eine unerklärliche Liebe für dieses Mädchen, da ser kaum kannte; sie kam ihm vor wie ein Kind, das jemand in ein pechbestrichenes Körbchen gelegt und auf dem Fluss ausgesetzt hatte, damit er es am Ufer seines Bettes barg.

Fischer Taschenbuch, 2020, SS. 10

Einbände der ausländischen Ausgaben

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Montenegrinische Ausgabe

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Isländische Ausgabe

Deutsche Ausgabe

Aus den Rezensionen

David Lodge, The Times Literary Supplement, 25. 5. 1984

Die englischsprachige Welt hat recht spät entdeckt, was für ein außergewöhnlicher Schriftsteller Milan Kundera ist. Zum Teil deshalb, weil die erste englische Übersetzung von Der Scherz so schlecht war. Es ist eine bekannte Ironie, dass Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins wahrscheinlich viel mehr Aufmerksamkeit erhalten wird als Kunderas frühere Romane, obwohl es nicht sein bestes Werk ist. Das Buch ist weniger spannend als Der Scherz, weniger überraschend als Das Buch des Lachens und Vergessens. Neue Leser sollten eher mit einem dieser Bücher als mit Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins beginnen. Leser, die bereits mit Kunderas Werk vertraut sind, werden jedoch in Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins viel bewundernswerte Details finden.

Ulrich Schlacht: Grausam, zärtlich, skeptisch. Die Welt, Nr. 265, 10. November 1984

Kunderas Roman-Essay, autobiographisch im Kern und deshalb welthaltig im konkretesten Sinnen ist ein Buch, das einem wieder und wieder den Hals zuschnürt und einen doch ebenso oft aufatmen läßt. Das Buch eines Skeptikers, der sich roh und zärtlich zugleich in seiner Schwäche erkennt, sie benennt und so bezeugt, daß er den Menschen liebt.

Ursula Heyn: M. Kundera: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Westfalenpost, 6. Oktober 1984

Ein Exilroman? Ein Liebesroman? Beides sicher. Nie hat ein Dichter galubwürdiger beschrieben, daß ihm die Heimat zur Fremde, die Fremde aber nicht zur Heimat geworden ist. Und nie hat wie Tomas und Teresa, Kunderas Helden aus diesem neuesten Buch, ein Liebespaar intensiver versucht, seine Gefühle an der Zeit zu messen. Kundera gelang ein Roman, der die Ungereimtheiten Europas über alle gegenwärtigen Grenzen hinweg mit seiner Liebe, seinem Zorn, seinem Gelächter verfolgt.

Die Filmadaption

Quelle: Abed Paul (Youtube-Profil)

Der amerikanische Film „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ aus dem Jahr 1988 ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Milan Kundera. Regie führte Philip Kaufman, der auch das Drehbuch zusammen mit Jean-Claude Carrière schrieb. Diese poetische und provokative Geschichte spielt in Prag während der dramatischen Ereignisse des Prager Frühlings 1968. Der Film erforscht die Komplexität menschlicher Beziehungen, Freiheit, Liebe und politischer Ideale in einer Zeit der politischen und persönlichen Turbulenzen. Mit seinen Bildern, den herausragenden schauspielerischen Leistungen von Daniel Day-Lewis, Juliette Binoche und Lena Olin und den tiefgründigen philosophischen Untertönen wurde der Film von der Kritik gelobt und mehrfach ausgezeichnet. „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ bietet eine einzigartige Perspektive auf die komplizierte Geschichte der Tschechoslowakei und erzählt gleichzeitig eine universelle Geschichte über die Suche nach persönlicher Freiheit und dem Sinn des Lebens. 

Die Milan-Kundera-Bibliothek erfährt von der Südmährischen Region und der Statutarstadt Brünn finanzielle Unterstützung.

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